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  • Artikel in der MAZ vom 25.12.2022
  • Tinder für Wildfleisch-Liebhaber: Mit einer App zu regionalem Wildfleisch
  • Birkenwerder. Wer Ralf Grützmacher besucht, wird an der Tür – noch bevor man dem Jäger die Hand reichen kann – von seinen beiden Deutsch Drahthaar Rüden in Empfang genommen. Der 55-Jährige aus Birkenwerder (Oberhavel) hat einen festen Händedruck. Uhrmachermeister ist er von Beruf, sein Hobby ist die Jagd. Seit 12 Jahren geht er neben seinem Beruf auf die Pirsch und bringt regelmäßig Fleisch vom Wildschwein und Reh nach Hause.
  • Gerade zu Weihnachten ist sein Wildfleisch sehr beliebt: Allein an diesem Vormittag hat es bereits zweimal an der Tür geklingelt. Einer der Kunden ist Clemens Gand, 55, aus dem Landkreis Oberhavel. „Ich habe dieses Wochenende eine Verabredung, und meine Gäste haben mich gefragt, ob ich nicht mal wieder Wild kochen könnte“, erzählt er.
  • Bestellt hat Gand das Fleisch über die App Waldfleisch, die seit einem Jahr einen virtuellen Marktplatz für Jäger und Wildinteressierte bietet. Ralf Grützmacher ist einer von 5000 Jägern deutschlandweit, die ihr Fleisch über die App vermarkten. Das gleichnamige Start-up hat es sich zur Aufgabe gemacht, regionales Wildfleisch zugänglicher zu machen und den Jägern eine Vertriebsplattform zu bieten.
  • So funktioniert die Waldfleisch-App
  • Das Programm listet angemeldete Jäger aus der näheren Umgebung auf. Tippt man eines der Profile an, öffnet sich die Warenübersicht des Verkäufers, geordnet nach den Tieren, die der jeweilige Jäger anbietet. Man wählt dann das gewünschte Produkt aus, gibt die Menge an und geht mit dem gefüllten Warenkorb zur virtuellen Kasse. Ab dann kann man sich per Chat mit dem Händler in Verbindung setzen und einen Termin zur Abholung ausmachen. Manche Händler bieten auch Lieferungen an.
  • Immer mehr städtische Kundschaft dank App entwickelt wurde die App von Frank Luttmann. Der Programmierer arbeitete seit 2018 daran, 2021 ging sie offiziell online. Laut Luttmann hat ihn sein Vater, der ebenfalls Jäger ist, dazu bewegt, eine App für den Verkauf von Wildfleisch zu programmieren. Vater Luttmann hatte nach neuen Vertriebsmöglichkeiten für das Fleisch seiner geschossenen Tiere gesucht. Gerade Menschen aus der Stadt hätten
  • oft keine Kontakte zu Jägern auf dem Land, erklärt der App-Entwickler: „Wir bekommen viel positives Feedback von Jägern, die mithilfe unserer App Kunden aus einem jüngeren und städtischen Milieu erschließen konnten“, sagt er.
  • Auch Ralf Grützmacher beobachtet, dass seine Kundschaft immer gemischter wird. Er sagt, früher seien die Leute skeptischer gegenüber Wild gewesen, die Nachfrage habe aber in den vergangenen Jahren stetig zugenommen. „Immer mehr Menschen haben ein Problem mit Massentierhaltung. Deshalb ist Wildfleisch gefragter denn je“, sagt der Jäger aus Birkenwerder. Dieser Tage müsse man schnell sein beim Kauf von Wildfleisch, fügt Clemens Gand hinzu: „Gerade jetzt vor Weihnachten darf man nicht zu lange warten, wenn man ein Stück Fleisch sieht, das man haben will.“
  • Vom Brandenburger Jäger zum Oberhavelner Metzger
  • Bis das Fleisch angeboten werden kann, geht es durch mehrere Hände. Grützmacher hat ein Stück Land gepachtet, auf dem er auf die Jagd geht. In Brandenburg werden vor allem Rehe und Schwarzwild, also Wildschweine, geschossen. Ausgebildete Jäger sind darin geschult, das geschossene Tier auf Krankheiten zu untersuchen und fachgerecht auszunehmen. „Schon vor dem Schuss schauen wir, ob sich das Tier auffällig verhält. Bereits daran kann man Krankheiten erkennen. Beim erlegten Tier untersuchen wir dann Fleisch und Organe wie Leber und Nieren“, erklärt Grützmacher.
  • Das Fleisch schickt er dann an einen Metzger, der es zerteilt und gegebenenfalls weiterverarbeitet, zu Wurst zum Beispiel. Auch beim Fleischer sei es üblich, dass noch mal ein Tierarzt die Qualität des Fleisches untersucht. So werde sichergestellt, dass beim Kunden nur gesundheitlich einwandfreie Ware lande, so der Jäger. Danach verpackt der Metzger das Fleisch und schickt es zurück an Grützmacher.
  • Wild als umweltfreundlichere Alternative zu Supermarktfleisch
  • Wildfleisch stellt für viele Verbraucher auch eine umweltfreundlichere Alternative zu Supermarktfleisch dar. App-Entwickler Luttmann sieht regional erlegte Wild klar im Vorteil gegenüber Supermarktfleisch, was die CO₂-Bilanz angeht. Schließlich komme Wild aus dem Discounter oft aus Ländern wie Neuseeland und müsse um die halbe Welt transportiert werden.
  • „Regional gekauftes Wild hat den Vorteil, dass man wirklich weiß, wo es herkommt“, so Luttmann. Selbst Vegetarier habe Waldfleisch zum Umdenken bewegen können, behauptet er. „Eine Jägerin hat mir mal erzählt, dass sie einen Kunden hatte, der mit einer Vegetarierin zusammen war. Die hat ihm aber jetzt wieder erlaubt, Fleisch zu essen, solange es Wildfleisch ist“, sagt der Programmierer.
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